Resto fiorentino

Firenze, Florenz, im August 2017 – „RED“ an der Piazza Repubblica – „Read Eat Dream“ – ein Ableger der Feltrinelli-Buchhandelskette, in dem man zusätzlich kleine Köstlichkeiten verspeisen und trinken kann, umgeben von Kochbüchern und sogenannten Coffee-Table-Bänden – hier sehe ich mir das Angebot an „narrativa“ an. Zwischen Golding und Gordimer – ein Gombrowicz: „Cosmo“, herausgegeben und mit einem Nachwort von Francesco M. Cataluccio, neu übersetzt von Vera Verdiani (il Saggiatore, Milano 2017). Schöne Klappenbroschur mit einem gut ausgewählten Titelfoto. Zu erkennen ist sofort Munchs „Schrei“, aber es nicht das bekannte Bild oder ein Ausschnitt daraus (das wäre auch zu abgegriffen), sondern das Detail einer bemalten Plastik (?), der Kopf mit den aufgerissenen Augen und der weit aufgesperrten Mundhöhle, die Hände bedecken die Ohren (Foto: Gabriel Bouys). Meine Web-Recherche ergibt, dass es sich um einen Teilnehmer am Karneval von Venedig 2014 handelt, mit einer nach dem Vorbild von Edvard Munchs Gemälde offenbar selbst gefertigten Maske.

Der Schriftsteller, Übersetzer, Kritiker, Literaturwissenschaftler und Comic-Kenner Michele Mari hält „Cosmo“ für eines der vier oder fünf schönsten Bücher des 20. Jahrhunderts. „Uno dei quattro o cinque libri più belli del Novecento è sicuramente Cosmo di Witold Gombrowicz. […]“ – so steht seine Einschätzung auf dem Rücktitel.

Selbstverständlich erwerbe ich das Buch für meine kleine Sammlung fremdsprachiger Ausgaben von Gombros Werken. Ist es ein Zufall, dass hier von W. G. gerade und ausschließlich „Cosmo“ angeboten wird? (Alle anderen Buchhandlungen, die ich bei meinem viel zu kurzen Italienurlaub noch besuchen konnte, führten ebenfalls entweder nur diesen Titel oder gar keinen.) Es könnte an Żuławskis Verfilmung von 2015 liegen, die mit Erfolg auf dem Filmfestival im italienischsprachigen Locarno und in den Kinos lief. Es ist aber in erster Linie so, weil in den Buchläden hauptsächlich Neuerscheinungen und todsichere Longseller vorrätig gehalten werden. Der Raum für Experimente oder eine gepflegte Auswahl an Titeln aus der Backlist der Verlage wird immer spärlicher. Der Interessent kann ja hier bestellen, falls er das nicht längst online erledigt hat …

Florenz ist die Stadt Dantes und da hätte man natürlich auch Gombros Büchlein über Dante erwarten können, aber das ist als Einzelausgabe in italienischer Sprache zuletzt 1969 erschienen. Die „Tagebücher 1959-69“, worin der Text enthalten ist, wurden 2008 das letzte Mal in Italien aufgelegt. Zu lange her, um hier zu stehen, aber immerhin sind die „Tagebücher“ auf Italienisch lieferbar.

Ob Florentiner Buchhändlerinnen und Buchhändler wissen, dass auf einigen wenigen der 464 Seiten („Diario. Vol. II“) Dante Alighieri, der „Divino Poeta“, und seine „Divina Commedia“ respektlos & geistvoll zerpflückt werden?

rf

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