Archiv für den Monat Februar 2020

Un malentendu

Kürzlich erinnerte ich mich an folgende Begebenheit: Bei einem der Gespräche, die ich mit Rita Gombrowicz führen durfte, stellte sich heraus, dass sie eine Zeit lang glaubte, der Titel der „Gombrowicz-Blätter“ hinge mit dem Wort „Blattern“ zusammen. Frankophone sehen nicht selten großzügig über unsere Umlaute hinweg und das kann leicht für Verwechslungen sorgen. Madame Gombrowicz war irritiert über diese Wortbildung und meinte darin eine Anspielung auf Witolds jugendliche Hautprobleme (von denen er ihr berichtet hatte) oder Ähnliches zu finden. (Wir wissen durch „Kronos“, dass ihn später Ekzeme plagten.) Vielleicht dachte sie auch daran, dass die Berührung mit dem Werk Gombrowicz‘ die Leser wie eine ansteckende Krankheit befällt und für das ganze Leben zeichnet?

Ich habe Gombrowicz durchaus wie eine Krankheit „durchgestanden“ und Narben blieben zurück. Der „Gombroman“ erzählt davon. Aber es sind keine entstellenden Narben und in Todesgefahr schwebte ich auch nicht. Von den Pocken – „Blattern“ ist nur ein anderes, älteres Wort dafür – geht keine tödliche Bedrohung mehr aus. Sie sind laut WHO inzwischen ausgerottet. Dafür entstehen immer wieder andere Erreger – wie jetzt die Coronaviren – und neue Seuchengefahren.

Natürlich konnte ich das Missverständnis „Blattern“ /„Blätter“ aufklären.
Als Bewohner der Küste gefiele mir eine andere Assoziation besser: und zwar die mit den Seepocken. Sie setzen sich bekanntermaßen an Gesteinen, Schiffsrümpfen, Walleibern und Muscheln fest. Je nachdem, ob wir Gombrowicz nun als Dampfer, Molluske oder Stein mit Pockenbewuchs oder gar als kleine ewig mitreisende Seepocke selbst betrachten möchten, eröffnen sich vielfältige Interpretationen … rf